01.07.2024

Die «Allianz Gleichwürdig Katholisch» will eine Kirche basierend auf der Gottesebenbildlichkeit aller Menschen.
«Diese Themen sind kein Luxus»

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Gleiche Würde und gleiche Rechte für alle Getauften fordert die «Allianz Gleichwürdig Katholisch» AGK.
  • Die Reformbewegung mischt sich ein, damit die Kirche eine Zukunft hat.
  • Einzelpersonen, Institutionen oder Kirchgemeinden können sich der AGK zugehörig erklären und sich damit einsetzen für eine Kirche, die Solidarität und Gleichwürdigkeit lebt sowie Macht und Verantwortung teilt.


Mentari Baumann und Claudia Mennen haben eine Vision. Eine Vision, für die sie sich aus tiefer, persönlicher Überzeugung, aber auch von Berufes wegen einsetzen: Die beiden Frauen wollen den Weg bereiten für eine römisch-katholische Kirche, die, basierend auf der Gottesebenbildlichkeit aller Menschen, den Grundsatz «Gleiche Würde, gleiche Rechte» lebt, in Bezug auf Geschlecht, Lebensform und Weihestand. Eine Kirche, die synodal, transparent, ehrlich und partizipativ ist, die den Grundsatz «Gleiche Würde, gleiche Rechte» lebt, sich für Solidarität und Gleichwürdigkeit einsetzt sowie Macht und Verantwortung teilt und gegen Missbrauch vorgeht.

Entstanden aus «Es reicht!»


Im Jahr 2014 hatte sich die Allianz «Es reicht!» formiert, ein Bündnis kritischer Katholikinnen und Katholiken, die sich für eine dialogfähige, befreiende und solidarische Kirche einsetzten. Mit dem Ziel, die reformkirchlichen Kräfte neu zu bündeln und eine relevante Stimme zu werden, hatte eine Steuergruppe Anfang 2021 den Übergang zu einer neuen Organisation in Angriff genommen.

Vor drei Jahren, im Januar 2021, wurde die «Allianz Gleichwürdig Katholisch AGK» in Luzern gegründet. Die Fachstelle «Bildung und Propstei» der Aargauer Landeskirche war eines von vier Gründungsmitgliedern. Zusammen mit Jungwacht Blauring Schweiz, der christlichen Sozialbewegung KAB und dem Schweizerischen Katholischen Frauenbund SKF bildet «Bildung und Propstei» den Trägerverein der AGK.


Bei der AGK gibt es keine Mitgliedschaften. Organisationen, Kirchgemeinden oder auch Einzelpersonen können sich der Projektgemeinschaft zugehörig erklären. Ende 2023 bestand die Projektgemeinschaft aus 55 Organisationen, darunter Pfarreien und Pastoralräume, Landeskirchen, Netzwerke, Verbände, Vereine und Fachstellen. Zusätzlich zu den Vertreterinnen und Vertretern der Organisationen sind 139 Einzelmitglieder zugehörig. Die Projektgemeinschaft trifft sich zweimal im Jahr, dazwischen tauscht sie sich digital aus, teilt Neuigkeiten, unterstützt sich gegenseitig, arbeitet aber auch an konkreten Projekten.

Der Aargau ist seit Beginn dabei


Die Aargauer Landeskirche ist mit dem Engagement im Trägerverein seit dem Anfang in der AGK vertreten und bekennt sich damit zu einer Kirche, die gleiche Würde und gleiche Rechte für alle Getauften anstrebt. An der Frühlingssynode vom 12. Juni 2024 bekräftigte Kirchenratspräsident Luc Humbel: «Die AGK ist die wichtigste nicht institutionalisierte Reformbewegung in der Schweizer Kirche. Es ist wichtig, dass sie frei ist. Der Kirchenrat ist prominent vertreten in der Trägerschaft und bereut diesen Entscheid nicht.»

Die Kirche nicht allein den offiziellen Vertretern überlassen


Mentari Baumann wirkt in einem 70-Prozent-Pensum als Geschäftsführerin der «Allianz Gleichwürdig Katholisch» auf der Geschäftsstelle in Luzern. Seit Ende 2022 arbeitet sie daran, die verschiedenen Reformbewegungen innerhalb der Katholischen Kirche Schweiz zu vernetzen und sichtbar zu machen. Sie hat einen Internet- und Social-­Media-Auftritt aufgebaut und Vernetzungsanlässe ins Leben gerufen. Baumann ist homosexuell und setzt sich seit Jahren in verschiedenen Kontexten für die Anliegen queerer Menschen und die Gleichstellung ein. Ihre Motivation, sich in der Kirche zu engagieren, benannte sie in einem Interview mit dem Pfarrblatt Bern: «Wenn ich die katholische Kirche von aussen betrachten würde, hätte ich auch Mühe mit ihr. Sie stimmt nicht überein mit der Art und Weise, wie die Gesellschaft Gleichstellung versteht. Aber ich bin in dieser Kirche aufgewachsen. Ich bin zwar ein wenig anders, als es den offiziellen Kirchenvertretern gefällt, aber das bedeutet nicht, dass ich die Kirche ihnen überlasse.»

Abholen statt Abschrecken


Die AGK wird operativ geleitet von Menschen aus den Trägerorganisationen und weiteren Fachpersonen. In dieser Steuergruppe ist Claudia Mennen als Leiterin der Fachstelle «Bildung und Propstei» dabei. An der Frühlingssynode der Aargauer Landeskirche stellten Mentari Baumann und Claudia Mennen die Arbeit der AGK vor. «Wir mischen uns ein», fasste Claudia Mennen die Tätigkeiten der AGK treffend zusammen. Von Anfang an eingebracht hat sich die AGK in den synodalen Prozess in der Schweiz. An der Synodalen Versammlung im Bistum Basel hatten sich fünf der AKG Zugehörige beteiligt. Denn die Umfrage bei den Gläubigen, die der Weltsynode zugrunde liegt, hatte in der Schweiz Handlungsbedarf in jenen Themen aufgezeigt, für die sich die Allianz einsetzt: «Die fehlende Gleichstellung der Frauen, das Ausschliessen von LGBTQI+-Menschen und Geschiedenen, die veraltete Sexualmoral und die unzugängliche Sprache, welche die Diversität in der Kirche nicht abbildet und junge Menschen eher abschreckt als abholt, ziehen sich wie ein roter Faden durch den Ergebnisbericht des gfs.bern», schrieb die Allianz im Januar 2022. Claudia Mennen sagt eindringlich: «Diese Themen sind kein Luxus. Sie bestimmen über die Zukunft der Kirche.» Junge Menschen achten darauf, ob Kirche in puncto Gleichberechtigung und Nachhaltigkeit glaubwürdig ist.

Fragen stellen


Die AGK platzierte im Verlauf des Synodalen Prozesses immer wieder ihre Anliegen. So machte sie zum Beispiel der Schweizer Bischofskonferenz SBK Vorschläge zur Vorbereitung auf die Weltsynode in Rom. Mitglieder der Allianz waren an vorderster Front an den Synodentreffen in Prag und Rom dabei: Helena Jeppesen als Mitglied der Schweizer Delegation vor Ort, Mentari Baumann als ​eine von zehn Onlinedelegierten der Kontinentalsynode.

Claudia Mennen sagt: «Wir bringen uns ein in der öffentlichen Debatte, indem wir Fragen stellen. Das Ziel ist, dass die Dinge beim Namen genannt werden. Das eucharistische Grundgesetz der Kirche lautet: Nur das, was auf den Tisch kommt, kann verwandelt werden.»

Die Projektübersicht auf der Website der Allianz zeigt, wie vielfältig das Einstehen für eine gleichwürdige Kirche aussehen kann. Hier findet sich eine wachsende Zahl von Projekten aus der Projektgemeinschaft und von der AGK-Geschäftsstelle. Mentari Baumann: «Die Übersicht kann dazu inspirieren, in der eigenen Region etwas zu starten.» Claudia Mennen ermunterte die Aargauer Synodalen: «Es können alle Gruppierungen und Einzelpersonen, die das wollen, zugehörig werden – auch Kirchgemeinden. Wir freuen uns über Zugehörigkeitserklärungen, denn so wird über das Thema diskutiert.»

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.