05.12.2018

Gott ist ein Beziehungswesen

Von Anne Burgmer

  • In der Serie Zum Beispiel… betreibt Horizonte, alltagstaugliche Theologie zu verschiedenen Glaubensbegriffen. Im zweiten Teil geht es um Gott und die Trinität.
  • Mit diesem Konstrukt haben nicht nur einfache Christen ihre Mühe – die Theologie suchte immer wieder nach Bildern, um die Dreifaltigkeit deutlich zu machen.

«Für die meisten Christen steht der Glaube an den dreifaltigen Gott nur auf dem Papier. Ein Satz aus Büchern über kirchliche Dogmen, aber kein Satz, der in unseren Herzen angekommen wäre. Wenn man morgen das Dogma vom dreifaltigen Gott abschaffen würde, würde den meisten Christen nichts fehlen. Sie würden es in ihrem Leben nicht merken». Diese Sätze schreibt der Priester Heiner Wilmer, mittlerweile Bischof der deutschen Diözese Hildesheim, in seinem Buch «Gott ist nicht nett».

Eins wird Zwei wird Drei bleibt Eins

Der Zwischentitel verdeutlicht: Trinität oder auch Dreifaltigkeit ist – ausserhalb vom Glauben – schlicht Unsinn. Doch auch gläubige Menschen können mit der Trinität meist nichts anfangen. An einen Gott glauben, das geht in Ordnung. Judentum, Christentum und Islam bekennen sich zu EINEM Gott. Sie benennen ihn, geben ihm Namen und versuchen, ihn auf Grundlage ihrer jeweiligen Offenbarung zu verstehen. Auf den ersten Blick eine einfache Sache.

Doch im Christentum wird es kompliziert: Zunächst wird Gott Mensch (Weihnachten). Er teilt sich selbst in Jesus Christus mit. Eins wird sozusagen Zwei. Jesus von Nazaret spricht von Gott als Vater und zeigt damit: er ist Sohn Gottes. Dieser Sohn Gottes stirbt (Karfreitag), ersteht von den Toten auf (Ostern) und fährt – so sprechen Christen es im Glaubensbekenntnis – in den Himmel auf (Christi Himmelfahrt). An Pfingsten schliesslich wird aus Zwei Drei: Der Heilige Geist kommt auf die Jüngerinnen und Jünger Jesu und vervollständigt damit die Offenbarung des einen Gottes als Dreieiner Gott in Vater, Sohn und Heiligem Geist.

Kaum greifbares Gottesverständnis

In der Bibel gibt es also eine Reihenfolge, die Gott immer umfassender zeigt. Doch Gott ist ewig und deshalb schon immer Drei in Eins. Doch wie soll das zu verstehen sein? Die  Überlegungen dazu füllen über die Jahrhunderte unzählige Buch- und Lexikonseiten, gespickt mit theologischen Fachbegriffen. Deren Lektüre hilft nicht weiter, denn sie geht nicht ins Herz, wie Heiner Wilmer schreibt; sie stiftet allenfalls Verwirrung.

Bereits der Kirchenlehrer Gregor von Nazianz (* um 329, + 390) beschreibt die nahezu Unmöglichkeit, den dreieinen Gott zu erfassen: «Ich gebe euch eine einzige Gottheit und Macht, die als Eine in den Dreien existiert und die Drei auf je verschiedene Weise enthält. […] Es ist die unendliche Naturgleichheit dreier Unendlicher. Gott als ganzer, jeder in sich selbst betrachtet […] Gott als die Drei, zusammen betrachtet […] Kaum habe ich begonnen, an die Einheit zu denken, und schon taucht die Dreifaltigkeit mich in ihren Glanz. Kaum habe ich begonnen, an die Dreifaltigkeit zu denken, und schon überwältigt mich wieder die Einheit». Dieses schillernde und kaum greifbare Verständnis von Gott als Einer in drei Personen führt im interreligiösen Gespräch immer wieder zum Missverständnis, Christen würden eigentlich an drei Götter glauben.

Hilfestellung: Kontrapunktkomposition

Doch wie kann der Satz vom Glauben an den dreifaltigen Gott ins Herz gehen? Wie so oft können Bilder und Vergleiche helfen. Ein Gemeindeleiter in Baselland erzählte von seinem «Aha-Erlebnis» mit der Trinitätslehre nach der Lektüre eines Artikels in der Wochenzeitung «Die Zeit». Der Beitrag beschäftigte sich mit Johann Sebastian Bach und dessen meisterhafter Beherrschung des Kontrapunkt, einer Kompositionstechnik. Bei dieser Art zu komponieren, könne man nicht sagen, welche Stimme in einem Musikstück die Melodie singt und welche Begleitung ist. Jede Stimme sei beides zugleich.

Im Artikel heisst es: «Im Kontrapunkt bestimmt jede Stimme, was die andere darf. Denn die Töne beider Stimmen klingen ja gleichzeitig, und wenn die eine Stimme die andere ignoriert, klingt es schief. Zugleich aber gehorcht jede Stimme einem eigenen inneren melodischen Gesetz, auf einen Ton kann kein beliebiger nächster folgen. Die eine Stimme kann sich also dem Diktat der anderen nicht bedingungslos unterwerfen, sonst klingt es wieder falsch». Die Verwobenheit der voneinander getrennten Stimmen geht bei Bach oft so weit, dass man einzelne Stimmen nicht unterscheiden kann und das Stück dennoch unvollständig wäre, würde nur eine fehlen. Ebenso wäre Gott im christlichen Verständnis nicht Gott, fehlte eine der drei offenbarten Personen. Dennoch ist er Einer.

Gott ist ein Beziehungswesen

Der Vergleich mit Bachs Kompositionen verdeutlicht darüber hinaus noch etwas anderes: Bach hat in keine seiner Partituren eine Stimme «Gänsehaut» geschrieben und dennoch spüren Menschen einen wohligen Schauder, wenn sie seine Musik hören. Ähnlich hat das Verständnis Gottes als eines dreifaltigen Gottes eine Wirkung für den christlichen Glauben: «Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist Liebe», heisst es in 1 Joh 4, 8.

Der Vers beleuchtet die Trinität aus einem anderen Blickwinkel: Liebe braucht ein Gegenüber. In diesem Sinne ist das Ich Gottes (Vater) einem Du (Sohn) zugewandt. Diese Beziehung Gottes zu Gott ergibt ein Wir (Heiliger Geist). Das Wir gibt es nur, weil es Gott Vater und Gott Sohn gibt. Gottes Zusage an uns Menschen ist, dass wir und die gesamte Schöpfung ohne Wenn und Aber in diesem göttlichen Beziehungsgefüge aufgehoben sind. Wer daran glaubt, kann frei von Angst leben und in jeder Begegnung mit Mitmenschen ein Abbild der inneren Wirklichkeit Gottes erleben: Aus einem Ich wird am Du ein Wir.

 

DENKANSTOSS

«Im Kino wird seit wenigen Jahren das 3D Verfahren als super Sehvergnügen angepriesen. Es ist als sei der Zuschauer mitten im Geschehen. Für mich ist unsere Vorstellung von Gott als Trinität die Botschaft, dass es Gott ein Anliegen ist, mitten in unserem Lebensgeschehen anwesend zu sein. Gott als Schöpfer der Vorausplanende mit Übersicht; er ist mit Jesus der Vorausgehende und er ist als heilig heilender Geist im Leben gegenwärtig.» – Diakon, Region Baden

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